FAQ - Häufig gestellte Fragen

Die Oberleitungstechnologie

Die Schieneninfrastruktur ist schon heute an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Trassenkonflikte zwischen Güter-, Fern- und Nahverkehr besonders in den Knoten sind die Regel. Trotz aller Anstrengungen, den Güterverkehr stärker auf Schiene und Wasserstraße zu verlagern, wird das höchste landgebundene Transportvolumen deshalb sowohl heute als auch in absehbarer Zukunft mit einem Anteil von über 70 Prozent vom Straßengüterverkehr erbracht. Grund dafür ist vor allem, dass Lkw Waren schnell und flexibel liefern können – dies ist für viele logistische Bereiche von großer Bedeutung.

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Klimaschutzplans 2050 und des Klimaschutzprogramms 2030 umfangreiche Maßnahmen beschlossen, um den Anteil der Schiene am Güterverkehr weiter zu steigern. Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigen aber, dass selbst unter größten Anstrengungen der Anteil der Bahn von heute 18 Prozent bis 2030 auf nicht mehr als knapp 25 Prozent gesteigert werden kann. Wegen der insgesamt steigenden Verkehrsleistung bedeutet dies bereits eine Vervielfachung des Bahnverkehrs. Dies allein wird aber nicht ausreichen, um die Emissionen im Güterverkehr ausreichend zu senken. Daher kann der Oberleitungs-Lkw eine sinnvolle Ergänzung zur Schiene darstellen.

Der zunehmende Güterverkehr ist eine Folge unseres Wirtschaftssystems (Exportnation, relativ hoher Anteil der Industrie an der Wertschöpfung, Arbeitsteilung usw.) und unseres Lebensstils (Wunsch nach großer Produktauswahl, zunehmende Bestellungen im Internet usw.). Wenn der Güterverkehr deutlich reduziert werden soll, müssten sowohl umfangreiche gesellschaftliche als auch wirtschaftliche Veränderungen langfristig greifen. Ob diese schnell genug und ausreichend wären, ist fraglich.

Nein. Insgesamt fördert die Bundesregierung einen breiten Mix unterschiedlicher Ansätze. Um eine Dekarbonisierung in allen Sektoren (Strom, Wärme, Mobilität) zu schaffen, müssen effiziente Umwandlungsschritte bevorzugt gefördert werden. Denn auch erneuerbare Energien (EE) benötigen Ressourcen und Flächen. Im Verkehrssektor besitzt eine direkte Nutzung von elektrischem Strom verglichen mit Brennstoffzellen-Konzepten eine deutlich höhere Effizienz. Bei strombasierten Flüssigkraftstoffen („Power-to-Liquid“ oder „e-fuels“ genannt) gibt es zusätzliche Umwandlungsverluste. Biomasse- oder EE-Strom-basierte Kraftstoffe sollten daher auf lange Sicht nur für Verkehrsträger genutzt werden, bei denen eine Elektrifizierung in absehbarer Zeit unrealistisch ist (vor allem Flug- und Schiffsverkehr). Weitere Vorteile der Elektrifizierung des Güterkraftverkehrs bestehen in der Minderung von lokalen Luftschadstoffen und der Reduzierung von Verkehrslärm. Die Oberleitungstechnologie ist außerdem mit anderen Technologien kombinierbar, denn sie fungiert letztlich wie ein „Schnellladesystem, ohne anhalten zu müssen“. Auch kombinierte (hybride) Antriebssysteme oder Brennstoffzellen-Lkw könnten davon profitieren.

Wasserstoff, der durch den Einsatz erneuerbarer Energien erzeugt wird, stellt ebenfalls eine kohlendioxidarme Antriebsenergie dar, die im Güterschwerlastverkehr zum Einsatz kommen kann. Der oberleitungsgebundene Elektroantrieb hat gegenüber dem Einsatz von Wasserstoff den Vorteil, dass der erneuerbar erzeugte Strom direkt genutzt werden kann. Es entstehen keine Umwandlungsverluste. Für den Gütertransportsektor ist zukünftig von einem Mix verschiedener Antriebe auszugehen. Auch Hybridlösungen werden voraussichtlich in großem Umfang zum Einsatz kommen. Die Wahl des Energieträgers bzw. Antriebssystems wird dabei vom jeweiligen Einsatzprofil und dem Einsatzgebiet eines Lkw abhängen und den wirtschaftlichen und transportlogistischen Rahmenbedingungen Rechnung tragen müssen. Der Oberleitungs-Lkw ist dabei eine mögliche Variante.

Da die klimatischen Bedingungen in Schleswig-Holstein verhältnismäßig mild sind, werden stärker vereiste Leitungen nicht erwartet. Gleichwohl ist eine elektrische Enteisung der Kettenwerke vorgesehen. Auf der schwedischen Teststrecke gab es trotz starkem Schneefall und niedrigen Temperaturen keine Probleme.

Das Oberleitungssystem ermöglicht eine direkte Nutzung der elektrischen Energie, Umwandlungsverluste werden also vermieden. Die elektrische Energie wird dabei nahezu vollständig in Bewegungsenergie umgesetzt. Zusätzlich kann aus Bremsvorgängen Strom zurückgewonnen werden, der bspw. anderen OH-Lkw zur Verfügung gestellt werden kann. Der genaue Wirkungsgrad des Systems soll im Rahmen des Feldversuchs ermittelt werden.

Im Verkehrssektor besitzt die direkte Nutzung von elektrischem Strom verglichen mit Brennstoffzellen-Konzepten die mit Abstand höchste Effizienz. Gleichzeitig kann Strom durch den Ausbau der erneuerbaren Energien umweltfreundlicher produziert werden. Im Konzept der Oberleitungstechnik lassen sich beide Komponenten kombinieren und so zu einem klimafreundlicheren Schwerlastverkehr beitragen.

Erst die Erforschung der Oberleitungstechnologie ermöglicht es, Aussagen darüber zu treffen, ob die Technik für einen dauerhaften bzw. langfristigen Einsatz geeignet ist. Die wissenschaftliche Begleitforschung liefert die Daten, auf deren Grundlage Entscheidungen zu weiteren politischen Schwerpunktsetzungen und Investitionen in technologische Weiterentwicklungen, Forschungs- oder Bauvorhaben getroffen werden können. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden zudem auch für andere Bereiche genutzt, etwa für Methoden zur Gesamtbilanzierung, für die Weiterentwicklung von Bahnsystemen, für Untersuchungen zum Umweltbewusstsein oder die Kostenkalkulation für Speditionen.

Feldversuch eHighway

Das Projekt „Feldversuch eHighway an der BAB A1 in Schleswig-Holstein (FESH)“ ist ein Modellversuch zur praxisnahen Erprobung der Infrastruktur mit Oberleitungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw) als einer möglichen Technologie für einen klimaneutralen Straßengüterverkehr. Neben Planung, Bau und Betrieb einer Teststrecke in Schleswig-Holstein umfasst das Projekt auch die wissenschaftliche Begleitforschung, um das Oberleitungssystem nach wissenschaftlichen Kriterien und unter realen Bedingungen sowohl technisch als auch ökonomisch und ökologisch zu bewerten. Durchgeführt wird das Projekt durch die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH (FuE-Zentrum) und verantwortet gemeinsam vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN) sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein (MWVATT).

Die klimapolitischen Ziele, die bis spätestens 2050 CO2-Neutralität vorsehen, stellen für den Güterverkehr eine besondere Herausforderung dar. Der Güterverkehr ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gewachsen und wird laut Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums bis 2030 insgesamt um 38 Prozent gegenüber 2010 zunehmen. Es müssen daher zeitnah klimafreundliche und praxistaugliche Lösungen gefunden werden, die nicht nur im Vermeiden und Verlagern von Transporten liegen können und werden.

Die Bundesregierung hat aus diesen Gründen mit dem Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“ bereits 2014 beschlossen, Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw durchzuführen. Das Land Schleswig-Holstein setzt gemeinsam mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum der Fachhochschule Kiel einen von bundesweit insgesamt drei Feldversuchen um.

Der Feldversuch wird im Rahmen des Programms „Erneuerbar mobil“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), ehemals des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), gefördert. Planung und Bau der Forschungsanlage wurden mit einem Volumen von rund 19 Mio. Euro gefördert. Für Betrieb und Forschung des eHighway Schleswig-Holstein stehen rund 7 Mio. Euro Fördersumme zur Verfügung.

Durch das Verkehrsaufkommen von täglich etwa 60.000 Pkw und 8.000 Lkw ist der gewählte Autobahnabschnitt der A1 besonders geeignet, um das System unter realen Verkehrsbedingungen zu testen. Die rege Nutzung des Abschnitts durch die Spedition Bode in Reinfeld an der A1 war ein weiteres wichtiges Argument. Zudem wurde eine grundhafte Erneuerung des Abschnittes im Jahr 2012 abgeschlossen, sodass in absehbarer Zeit keine größeren Sanierungsarbeiten zu erwarten sind und die Betriebsphase des Projektes nicht gestört wird.

Die aktuelle Förderphase des Feldversuchs hat 2019 begonnen und wird voraussichtlich im Dezember 2024 abgeschlossen sein. Die Zukunft des Oberleitungssystems an der BAB 1 hängt von den Erkenntnissen der drei Feldversuche (durchgeführt in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen) und den politischen Entscheidungen in Bezug auf eine potenzielle längerfristige Nutzung ab. Wenn die Feldversuche positiv verlaufen, könnte die eHighway-Strecke auch ausgebaut werden.

Die zukünftige Nutzung der Oberleitungssysteme hängt von den Erkenntnissen der Feldversuche in den drei Bundesländern und den politischen Entscheidungen ab. Zunächst werden in den Feldversuchen in Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg Erfahrungen gesammelt. Die Projekte werden dafür wissenschaftlich begleitet. Mögliche Ausbauszenarien und Finanzierungs- bzw. Betreibermodelle werden parallel erforscht.

So funktioniert die Oberleitungstechnologie

Nein, für die OH-Lkw müssten nur einzelne Abschnitte der am meisten frequentierten Autobahnen mit Oberleitungen ausgestattet werden, um bereits einen Großteil der Lkw-Fahrleistung mit Elektroantrieb abwickeln zu können. Ergebnisse aus der Begleitforschung zeigen, dass 3.000 bis 4.000 km im Autobahn-Gesamtnetz von rd. 13.000 km dafür ausreichen würden. In den drei Feldversuchen werden zudem Lkw eingesetzt, die über eine zusätzliche Batterie verfügen, sodass sie nach dem Aufladen im Depot oder unter Oberleitungsabschnitten weitere Strecken elektrisch fahren können, z. B. um die Fracht auch außerhalb der Autobahn emissionsfrei abliefern zu können.

Im Gegensatz zum Oberleitungssystem der Deutschen Bahn benötigt der eHighway zwei Fahrdrähte, um einen geschlossenen Stromkreis zu bilden. Die Bahn wird mit Wechselspannung von 15.000 Volt betrieben, während der eHighway im Bereich von 670 Volt Gleichspannung betrieben wird.
An der Oberleitung könnten Geschwindigkeiten bis 100 km/h realisiert werden. Die OH-Lkw-Fahrer sind jedoch an die gleichen Regeln wie konventionelle Lkw gebunden, d. h. die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h.
Die Anzahl der OH-Lkw, die die Oberleitung gleichzeitig nutzen können, hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von der Leistung des Netzanschlusses, der Auslegung der Unterwerke sowie dem elektrischen Widerstand der Oberleitung.

Die Umrüstung von Lkw ist aufwendig, aber technisch möglich. Neben der Integration des Stromabnehmers ist die Umrüstungsmöglichkeit maßgeblich vom Antriebskonzept abhängig.

Im Projekt FESH werden Oberleitungs-Lkw eingesetzt, die mit einem Hybridantrieb aus Elektro- und Dieselmotor ausgestattet sind. Die eingesetzten Testfahrzeuge können die elektrische Energie direkt für ihre Traktion nutzen und die in den Fahrzeugen integrierten Batteriespeicher während der Fahrt unter den Oberleitungen aufladen. Dadurch können die Stand- und Ladezeiten elektrischer Lkw verkürzt werden. Andere Hybridkonzepte, wie bspw. mit Gas- und Wasserstoffantrieben, sind ebenfalls mit dem Oberleitungssystem möglich.

Grundsätzlich wird der Fahrdraht parallel zur Fahrbahnoberkante in einer Höhe von 5,10 m geführt. Muss ein Bauwerk unterquert werden, kann das gesamte Kettenwerk bis auf eine Höhe von 4,50 m abgesenkt werden und wird an diesen Stellen in festen Deckenstromschienen geführt.

Sicherheitsaspekte der Oberleitungstechnologie

Wir sehen beim Zugverkehr, der die Oberleitungen deutlich höher belastet als die OH-Lkw, dass Leitungsrisse dort sehr selten vorkommen. In aller Regel werden Leitungsrisse durch äußere Einwirkungen, z. B. durch umstürzende Bäume, verursacht. Diese sind auf der Teststrecke nicht zu erwarten. Dennoch werden Maßnahmen getroffen, um im Falle eines Oberleitungsrisses schnell reagieren zu können. Um eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer sowie Rettungs- und Hilfseinsätze auszuschließen, wurden entsprechende Vorkehrungen getroffen.

Die Masten stellen eine Gefahr dar, als Fahrzeuge mit ihnen kollidieren könnten. Um dies möglichst zu verhindern, wurden neue Leitplanken der höchsten Schutzklasse installiert.

Nein, die zu erwartenden Emissionen der Strecke liegen weit unterhalb der zulässigen Grenz- und Richtwerte. Sie fallen bspw. auch im Vergleich zu Straßenbahnen geringer aus.

Durch die Masten wird die Sicht auf die Umgebung der Autobahn natürlich verändert. Die Masten stehen in einem Abstand von 50 m und entsprechen in etwa dem, was wir bereits an Befestigung für fahrbahnübergreifende Verkehrsschilder kennen.